- frühchristliche Kunst
- frühchristliche Kunst,altchristliche Kunst, die von Christen geschaffene Kunst der Spätantike (etwa 200-600). Sie unterscheidet sich in Technik und künstlerische Form nicht von der gleichzeitigen Kunst mit heidnischen Inhalten. Wie allgemein in der spätantiken Kunst setzten sich auch in ihr die regionalen Besonderheiten kaiserzeitlicher römischer Kunst fort. Wichtige Impulse gingen v. a. von Rom und Alexandria aus. Infolge des Siegs des Christentums über die alten Religionen und der Förderung durch das christlich gewordene Kaisertum wurde sie im westlichen Europa die Grundlage der Kunst des Mittelalters, im Osten bildete sie die Anfänge der byzantinischen Kunst (byzantinische Kultur).Vor der Mailänder Konstitution (313) war die frühchristliche Kunst auf den privaten Bereich beschränkt. Zeugnisse dieser Zeit gehören zur Sepulkralkunst. Bedeutende Denkmäler sind v. a. die Katakomben in Rom, u. a. die Kallist-, Domitilla- und Priscillakatakombe sowie die Katakombe an der Via Latina. Gottesdienstliche Versammlungen fanden in Privathäusern statt, seit dem 3. Jahrhundert auch in Gemeindehäusern. Ein Haus dieser Art ist in Dura-Europos erhalten. Die Themen der Malereien entsprechen denen der römischen Katakomben.Nach 313 konnte die Kirche Grundstücke und Immobilien besitzen und öffentliche Bauten errichten. Ihr Förderer Konstantin I. ließ Kirchen u. a. in Rom, Konstantinopel, Antiochia am Orontes und in Bethlehem erbauen und stellte sie als öffentliche Bauten den Tempeln gleich. Auf der Basis der profanen Basilika entstand der Typus der christlichen Basilika - und zwar gleichzeitig im Osten (Basilika von Tyros, geweiht 317) wie im Westen (Lateransbasilika, zwischen 313 und 317, Rom) - als ein längs orientierter, mehrschiffiger Versammlungsraum mit überhöhtem Mittelschiff und in der Regel flacher Decke. Charakteristisch für die frühchristlichen Längsbauten waren Atrium, Apsis und Narthex. Über das ganze Reich verstreut erfolgten kaiserliche Gründungen; sie zeigten eine große Mannigfaltigkeit der einzelnen architektonischen Lösungen: Fünfschiffigkeit mit Querhaus (Alt-St.-Peter, 323-326, Rom), Dreischiffigkeit mit um die Apsis herumgeführten Seitenschiffen in den Bauten Roms: San Sebastiano ad Catacumbas (begonnen als Basilica Apostolorum, 312-337), Santi Marcellino e Pietro (2. Viertel des 4. Jahrhunderts), San Lorenzo fuori le mura (579-590), Santa Agnese (625-638), Fünfschiffigkeit mit Oktogon (Geburtskirche, 326-335, Bethlehem) und Fünfschiffigkeit mit Hof und Rotunde (Grabeskirche, 326-335, Jerusalem). Ein Oktogon war die Bischofskirche in Antiochia am Orontes, die Konstantin I. erbauen ließ.Neben diesen kaiserlichen Stiftungen gab es seit dem späten 4. Jahrhundert zahlreiche lokale Gründungen von unterschiedlichem Aussehen; in jeder kirchlichen Provinz vollzog sich eine eigene Entwicklung. Grundlage der römischen Entwicklung war die dreischiffige Basilika (San Clemente, um 390; Santi Giovanni e Paolo, 401-417; Santa Sabina, 422-432). Auf ihr basierten zahlreiche Basiliken, u. a. um 400 in Salona (Solin, heute zu Split). In Oberitalien entstand im Anschluss an die Doppelkirche in Aquileja (zwei parallele Säle mit Querhalle; um 314-319) eine Gruppe von apsidenlosen Saalkirchen, oft in der Form von Doppelkirchen. In Mailand folgten unter Ambrosius auf die fünfschiffige Bischofskirche (Santa Tecla, zwischen 350 und 400) die einschiffigen Säle mit Kreuzarmen (San Nazaro, begonnen als Basilica Apostolorum; San Simpliciano; beide zwischen 350 und 400). In Ravenna setzte sich nach dem fünfschiffigen Dom (Ende 4. Jahrhundert) und der kreuzförmigen Kirche Santa Croce im 5. Jahrhundert die dreischiffige Basilika durch (San Giovanni Evangelista, Sant'Apollinare Nuovo). Kreuzförmig wurden auch in Kalat Siman (Nordsyrien) im 5. Jahrhundert vier dreischiffige Hallen um ein Oktogon angeordnet, der östliche Arm (die Ost-Basilika) hatte drei Apsiden. Dreiapsidenanlagen fanden im ganzen Nahen Osten Verbreitung. In Konstantinopel wurden die dreischiffige Emporenbasilika des Johannes-Studios-Klosters (453/454-463) und die verwandte Marienkirche (nach 450) im Chalkopratenviertel errichtet. Sie beeinflussten auch den Kirchenbau in Griechenland; die Demetrioskirche in Saloniki war jedoch eine fünfschiffige Emporenbasilika (erstmals mit Stützenwechsel) mit Querhaus und Narthex. Besonders reich war die Entwicklung in Syrien (u. a. Kirchen des Architekten Markianos Kyris, frühes 5. Jahrhundert). Der Hof lag bei den älteren Beispielen auf der Südseite der Kirche mit getrennten Eingängen für Männer und Frauen entsprechend der Sitzordnung innerhalb der Kirche. Von weit tragender Bedeutung ist die Anfügung von zwei Nebenkammern an den Seiten der Apsis (Pastophorien, zuerst in Fafertin, 372). Tebessa (Algerien) hatte eine dreischiffige Emporenbasilika mit einer (in Nordafrika häufig) eingezogenen Apsis. In Ägypten sind u. a. die Bauten von Abu Mena und Hermopolis Magna (dreischiffige Anlagen mit Narthex; eine Holzwand trennte Schiff und Altarwand), die Dreikonchenanlagen des Abtes Schenute von Atripe (Deir al-Abiad) und die Basilika des Simeonsklosters von Dendera zu nennen. - Um 500 bahnten sich im Osten tief greifende Wandlungen in der Gestalt der frühchristlichen Basilika an. Die bisher ungegliederte Längswand wurde durch Vorlagen in Joche zerlegt (Kappadokien; Syrien: Rusafa, Basilika A, 559, Ruweia, 6. Jahrhundert). Der bisher nur durch Schranken umgrenzte Altarraum wurde durch einen Vorchor erweitert. Pfeiler bezeichneten die Grenze, auch konnte ein Querbogen den Vorchor gegen das Langhaus abschließen. Türme, die in Syrien schon in den Kirchenbezirk einbezogen waren, traten im 5./6. Jahrhundert in eine feste Bindung zur Ost- (Rusafa, Zentralbau und Basilika B) und Westfassade (monumentale Weitarkadenbasilika von Kalb Loseh, vor 469; Ruweia, 6. Jahrhundert). Zugleich gewannen zentrale Planungen monumentalen Ausmaßes ein gesteigertes Interesse, so die syrischen Bauten von Bosra (512) und Esra (515). Sie wurden das eigentliche Problem der Zeit Justinians I., beginnend mit der Sergios-und-Bakchos-Basilika in Konstantinopel (um 531-536; Kuppel über innerem Oktogon, die abgewandelt in San Vitale, um 540, Ravenna, wieder erscheint), und erreichten ihren Höhepunkt in der Hagia Sophia (Konstantinopel, geweiht 537). Zugleich wurde die Kuppel auch auf alle anderen Grundrisstypen übertragen, auf die Basilika (Kilikien: Alahan Monastir oder die Ruinen von Korykos; Ephesos: Marienkirche), auf die Basilika mit Querhaus (Philippi), auf die Kirchen mit kreuzförmigem Grundriss (Apostelkirche, 536-550, die den Bau Konstantins I., geweiht 370, ersetzte, Konstantinopel; Johanneskirche, vor 548-565, Ephesos). San Lorenzo fuori le mura (um 580) und San Agnese fuori le mura (um 625; beide Rom) griffen noch einmal die Emporenbasilika auf, in Grado wurde die Gliederung der Oberwand auf die ravennatischen Kirchen übertragen. Kuppellösungen spielten hier keine Rolle.Neben die Bischofskirche trat in der Regel ein Baptisterium, meist als frei stehender Rundbau oder Oktogon. Doch ist auch die unmittelbare architektonische Verbindung mit der Ost- oder West-Partie der Kirche belegt. Der Außenbau entsprach nicht immer der inneren Raumgestalt (Rom, Ravenna, Neapel, Ephesos, Milet, Kalat Siman u. a.). Ihre Mitte nahm die ebenfalls runde oder polygonale Piscina (Taufbecken) ein.Eine eigene Entwicklungslinie wiesen die Mausoleen auf. Sie lagen vereinzelt an Straßen oder bildeten ganze Gräberstraßenkomplexe. Oft gingen sie eine Verbindung mit der Coemeterialbasilika, einer Basilika im Bereich eines Friedhofs, ein (San Sebastiano ad Catacumbas, Rom) und steigerten sich zu monumentalen Formen (Santa Costanza, vor 354, Rom). Als Märtyrergrab und Memoria lagen sie neben der Kirche oder gingen (bei den konstantinischen Memorialbauten) auch unmittelbar als Querhaus oder Oktogon (Bethlehem) in die Plangestalt der Kirche ein.Im Westen, v. a. in Italien und Frankreich, sind zahlreiche frühchristliche Sarkophage erhalten. Die am besten erhaltenen in Rom stammen aus dem 4. Jahrhundert (Vatikanisch Sammlungen, Museo Pio Cristiano). Sie zeigen v. a. Christus als Wundertäter inmitten alttestamentarischer Vorbilder; gegen Mitte des 4. Jahrhunderts wurden auch theologisch anspruchsvolle Themen dargestellt (Passionssarkophage). Berühmt ist der Sarkophag des Junius Bassus (✝ 359; Rom, San Pietro in Vaticano, Schatzkammer). Die Gruppe der Stadttorsarkophage vom letzten Viertel des 4. Jahrhunderts belegt die Einwirkung der oströmischen Kunst Konstantinopels. Der älteste Sarkophag Galliens stammt aus La Gayole in der Provence (3. Jahrhundert; heute Brignoles, Musée du Pays Brignolais). Von den oströmischen Marmorsarkophagen sind nur wenige überliefert (Istanbul, Archäologisches Museum). Die Sarkophage Ravennas sind in Typus, Gliederung und Formgebung deutlich von den Marmorarbeiten aus dem Umkreis der Hofwerkstätten Konstantinopels beeinflusst. In Konstantinopel hergestellte Dekorglieder für Bauten (Basen, Säulenschäfte, Kapitelle, Türrahmungen, Ambonen u. a.) wurden nach Spanien, Syrien und Ägypten, besonders aber nach Griechenland und Kleinasien ausgeführt. Neben den Sarkophagen gab es vereinzelt plastische Figuren, u. a. den Guten Hirten (3. Jahrhundert; Rom, Vatikanisch Sammlungen, Museo Pio Cristiano) und das Sitzbild des jugendlichen Christus (Mitte des 4. Jahrhunderts; Rom, Thermenmuseum). Unter den Holzskulpturen ragen einige reich dekorierte Kirchentüren des späten 4.-7. Jahrhunderts hervor (Sant'Ambrogio in Mailand, Santa Sabina in Rom, Barbarakirche in Alt-Kairo).und Mosaiken: In der Malerei des 4. Jahrhunderts überwogen noch die Katakombenmalereien. Charakteristisch ist die Reihung von Szenen aus dem Alten Testament und Neuen Testament sowie die Betonung der menschlichen Figur gegenüber dekorativen und strukturellen Elementen. Im Osten sind gleichfalls Grabanlagen mit Malereien erhalten (İznik, Sofia u. a.). Bodenmosaiken sind v. a. im adriatischen Küstengebiet, in Griechenland, Syrien, Palästina und Nordafrika erhalten, überwiegend in Villen, seltener in Kirchen (Doppelkirche von Aquileja, 2. Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts). Hervorragende Wandmosaiken sind in den Mausoleen der Kaiserzeit (u. a. Santa Costanza in Rom, Mitte des 4. Jahrhunderts) überliefert. Kennzeichnend für diese Zeit ist das Nebeneinander profaner und christlicher Motive. Wandmosaiken in Kirchen sind erst seit der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts erhalten (in Rom: Santa Pudenzia, Santa Sabina, Santa Maria Maggiore; in Mailand: Sant'Aquilino, San Vittore). Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Kuppelmosaiken, in denen christliche Themen überwiegen (Baptisterium San Giovanni in Fonte in Neapel, um 400; Mausoleum der Galla Placidia, um 450, und Baptisterium des Doms, um 458, in Ravenna). Eine umfassende Übersicht über die Mosaikkunst des 2. Viertels des 5. Jahrhunderts bis über die Mitte des 6. Jahrhunderts bieten die Bauten von Ravenna. Hervorragende Wandmosaiken des 6. Jahrhunderts sind ferner in Santi Cosma e Damiano in Rom (zwischen 526 und 530), in der Basilica Eufrasiana in Poreč (um 560), in der Georgskirche in Saloniki (Anfang des 6. Jahrhunderts) sowie in der Kirche des Katharinenklosters im Sinai (um 565/566) überkommen. Eines der bedeutendsten erhaltenen Fußbodenmosaiken dieser Zeit stammt aus der Hafenbasilika in Sabratha (Sabratha, Museum). Von der Blüte der frühen Ikonenmalerei zeugen Porträts der Sammlung des Katharinenklosters im Sinai.Die frühesten Belege der Buchmalerei sind Blätter einer Itala-Handschrift aus dem 4. Jahrhundert (Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz). Ihr steht stilistisch die nur als Fragment erhaltene Cotton-Handschrift (London, Britisches Museum) nahe. Die wichtigste Bilderhandschrift aus frühchristlicher Zeit ist die aus Konstantinopel oder Antiochia stammende Wiener Genesis (Anfang des 6. Jahrhunderts, Wien, Österreichische Nationalbibliothek). Ihr folgten noch im gleichen Jahrhundert der Codex Sinopensis (Paris, Bibliothèque Nationale de France) und der Codex Rossanensis (Rossano, Erzbischöfliche Bibliothek), deren Entstehungsorte unbekannt sind. Das Rabula-Evangeliar (Florenz, Biblioteca Medicea-Laurenziana) wurde Ende des 6. Jahrhunderts in Nordmesopotamien geschaffen.Zu den bedeutenden Zeugnissen frühchristlicher Kunst des 4.-6. Jahrhunderts gehören auch die zahlreichen Elfenbeinarbeiten, besonders Diptychen, Kästchen und Pyxiden. Aus Elfenbein geschnitzt wurde auch die aus Ägypten stammende Kathedra des Bischofs Maximian von Ravenna (um 550; Ravenna, Museo Arcivescovile). Unter den Edelmetallarbeiten finden sich Reliquienkästchen, liturgische Geräte und Gegenstände kirchlicher Einrichtungen. (armenische Kunst, koptische Kunst)A. Grabar: Die Kunst des frühen Christentums (a. d. Frz., 1967);P. du Bourguet: Die frühe christl. Kunst (a. d. Engl., 1973);Spätantike u. frühes Christentum, hg. v. B. Brenk (1977);K. Weitzmann: Spätantike u. frühchristl. Buchmalerei (a. d. Amerikan., 1977);F. W. Deichmann: Rom, Ravenna, Konstantinopel, Naher Osten (1982);H. Kähler: Die frühe Kirche (Neuausg. 1982);D. Stutzinger: Die frühchristl. Sarkophagreliefs aus Rom (1982);A. Effenberger: F. K. u. Kultur (1986);H. A. Stützer: F. K. in Rom (1991);K. Balabanov u. C. Krstevski: Die Tonikonen von Vinica. Frühchristl. Bilder aus Makedonien, Ausst.-Kat. (1993).
Universal-Lexikon. 2012.